1 = 3
Der Ingenieur in mir protestiert bei dieser Überschrift, aber noch kürzer lässt sich unser Glauben nicht fassen. Am Ende ist ja auch Mathematik nur eine Art, die Welt zu beschreiben.
Als Vr. Pavel an seinem „Pfeiler“ schrieb, hatte Gottlob Frege gottlob gerade die Logik erfunden. Die Prädikatenlogik jedenfalls, bis dahin gab es eigentlich nur den Aristoteles. Jedenfalls gefundenes Fressen für den Mathematiker Pavel, um nun Gott mal auf den Punkt zu bringen. Ich bin ganz froh, dass er das schon im „Pfeiler“ getan hat (7. Brief: „Widerspruch“, S. 145ff) und nicht erst in der „Philosophie des Kults“, sonst hätte ich es übersetzen müssen 😮
Herausgekommen ist eine Verherrlichung der Dreieinheit (Zitat Vr. Johannes: Sag nicht Dreifaltigkeit – da faltet sich nix!) in einer Sprache, die noch weniger Leute verstehen als Latein.
Erst einmal schreibt Vr. Pavel
Das Leben ist unendlich voller als rationale Definitionen. Daher kann auch keine Formel die ganze Fülle des Lebens erfassen.
Sprich: zu jeder Aussage, jeder Formel (z.B. Miezi ist eine Katze; Katzen sind Tiere –> Miezi ist ein Tier) hat das lebendige Leben vielleicht einen Einwand, einen Sonderfall, eine Ausnahme parat. Die Formel stimmt manchmal nur für den, der sie aufstellt (Katholizismus ist eine Religion; Religion führt zu Gott –> Katholizismus führt zu Gott. – was jedem Katholiken logisch erscheint, lässt nicht nur Orthodoxe an dieser Stelle Häresie! rufen). Pavel sagt:
Eine rationale Formel kann dann und nur dann wahr sein, wenn sie sozusagen alle Einwände gegen sich voraussieht und sie beantwortet, […] ihre eigene Negation hinzudenkt und aufnimmt und auf den Zweifel an ihrem Wahrsein durch die Aufnahme dieses Zweifels in sich – und sogar in seinem Extrem – antwortet.
Und schon sind wir bei dem, was uns keiner beigebracht hat: bei antinomischem Denken.
These und Antithese bilden zusammen den Ausdruck der Wahrheit. Mit anderen Worten, die Wahrheit ist eine Antinomie.
Wäre es anders, bräuchten wir nicht zu glauben, könnten wir alles wissen oder widerlegen.
Alles, was Leben in sich hat, erweist sich in Antinomien, die miteinander kämpfen und konkurrieren und zur Vollendung geführt werden wollen, um zur Synthese zu kommen, die es hier in dieser gefallenen Welt nicht gibt. Wir könnten die Synthese gar nicht erkennen, wir brauchen das Böse, um das Gute zu erkennen, den Antichrist, um Christus zu lieben, die Frau, um Mann zu werden…
Pavels formalen Beweis in der Sprache der Logik (S. 148 -153) schenken wir uns, das ist, wie gesagt, nur was für höhere mathematische Fachsemester. Aber wir halten fest, was die alten Griechen noch wussten und wir so gern verdrängen: Es gibt keine „ganzheitliche“ Rationalität! Es lebe der Widerspruch. Ja was sage ich: es lebe der Gegensatz!
In allem steckt Gottes Geheimnis. . . Aber dass es ein Geheimnis ist, das ist sogar umso besser: für das Herz ist es schrecklich und wundervoll, und dieser Schrecken gibt dem Herzen Freude. Es ist sogar schöner, dass es ein Geheimnis ist.
Fjodor Dostojewski
Wozu nun das Ganze?
Es erklärt die Entstehung und die Notwendigkeit von Dogmen. Dogmen sind solche antinomische Wahrheiten. Sie sind offenbarte Wahrheiten, Geschenke von oben, der Rahmen der Freiheit des Christenmenschen. Nichts, was sich jemand ausdenken könnte: Der Eine-in-Drei-Gott. Der Zwei-in-Eins-Sohn. Gott am Kreuz. Die Jungfrau-Mutter…
Wären sie nicht antinomisch, wären sie nicht wahr. Ein wahres Gottesbild kann niemals rational sein. Deswegen nicht 1 = 1, sondern 1 = 3.
Ende der Ingenieursweisheit.