conjunctiv

Soslagatelno. Konjunktiv. So soll ich, sagte mein geistlicher Vater, Florenskij lesen. Als Adverb, als Wie-Wort findest du das in keinem russischen Wörterbuch. Auch in keinem deutschen. Aber so ist das mit den geistlichen Vätern…

Wenn man das Wort auseinandernimmt, zerfällt es in so- (mit-) und slagat‘ (zusammenlegen, komponieren, addieren). Ich soll mich also anlehnen, verbinden, soll mitschwingen.

Nicht analysieren.

Und deshalb wird das hier ein merkwürdiger Blog über einen originellen Menschen und seine erstaunliche Weltsicht, vermischt mit dem, was Vater Pavel in mir damit angerichtet hat. Wer mag, kann hier mit Pavel und mir ein Stück weit aus unserer kartesisch-dreidimensionalen Langeweile hinaustreten, das antinomische Denken versuchen, die Höhen und Tiefen Gottes-und-der-Welt ausloten.

Es gibt mittlerweile auch auf Deutsch einiges von und über Vater Pavel. Allerdings gibt es eine schmerzhafte Lücke, wenn man die Annäherung soslagatelno sucht, irgendwie religiös, “ganzheitlich” und nicht philosophisch: die beiden aus geistlicher Sicht wesentlichen Werke „Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit (Versuch einer orthodoxen Theodizee in 12 Briefen)“ aus 1914 sowie die Vorlesungsreihe „Philosophie des Kults (Versuch einer orthodoxen Anthropodizee)“ (ca. 1918-1922) liegen immer noch nur auszugsweise bis überhaupt nicht deutsch vor.

Einerseits kein Zufall, dass die philosophischen, kunsttheoretischen und mathematisch-logischen Arbeiten Florenskijs breiteres Interesse finden. Das kann man studieren. Doch das, was man allgemein so als „damals seiner Zeit weit voraus“ bezeichnet, wird früher oder später von eben dieser Zeit wieder aufgefressen. Dann bliebe Florenskij eine Anekdote der Wissenschaftsgeschichte – mit ein paar originell-schrulligen Beiträgen zum Menschheitswissen, politisch allzu indifferent und auch noch suspekt im Verhältnis zu den Juden. 

Der Vater Pavel, der Priester, der seinen Priesterkittel auch in den zwanziger Jahren nie abgelegt hat, der dafür mit dem Leben bezahlt hat, der dadurch bewiesen hat, dass er wusste, wovon er schreibt – er darf gegenüber dem Gelehrten Professor Florenskij nicht auf der Strecke bleiben. Das, was Vr. Pavel demjenigen zu sagen hat, der auf der Suche ist nach Verbindung, soslaganie, religare, das ist so zeitlos wie hochaktuell in einer Gesellschaft, die Religion, Tradition, Mystik und Gott als störend komplett beiseite geschoben hat.

Gerade für jemanden, der wie ich aus westeuropäischer Denktradition heraus sucht, und damit recht fern ist von der Gefahr, über jene Stellen zu stolpern, wo Vr. Pavel ein wenig am orthodoxen Mainstream vorbeischreibt und esoterisch interpretierbar ist, kann eine eingehendere Beschäftigung mit diesem Erbe wohl guten Gewissens empfohlen werden.

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